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5G-Moratorien in Städten und Gemeinden?

14. September 2020
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Vereinzelt gibt es in Deutschland Kommunen, die mit sogenannten 5G-Moratorien den Ausbau der 5G-Netze in ihrer Kommune verhindern wollen. Dazu werden in den Räten entsprechende Beschlüsse gefasst. Wir haben Ralph Sonnenschein, ehemals Kreisrechtsamtsleiter und Kreisrechtsdezernent, jetzt Referatsleiter für u. a. Telekommunikation beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, zu den möglichen Gründen und den Effekten solcher Beschlüsse befragt.

 

Warum kommt es dazu, dass Städte und Gemeinden diesen Schritt gehen?

Wir leben in verunsicherten und widersprüchlichen Zeiten. Unser Orientierungsdrang in der modernen Wissensgesellschaft kollidiert mit dem uferlosen Angebot an Informationen, deren Vielzahl eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts nur noch erschwert zulässt. Das ist ein grundsätzliches Dilemma. Gleichzeitig leben wir in politisch sensiblen Zeiten, in denen zunehmend Frauen und Männer differenzierte politische Haltungen einnehmen und diese durch Übernahme von Verantwortung auch vertreten und umsetzen wollen. Das ist grundsätzlich ein Segen, auch für die Kommunalpolitik.

Wenn nun kommunalpolitische Verantwortungsträger/innen Informationen aus fragwürdigen Quellen, die extreme Gesundheitsgefahren durch „5G- Strahlung“ beschwören, Glauben schenken, ist es folgerichtig, dass diese sich selbst und die Einwohner/innen schützen wollen.

 

Aber ist das wirklich verantwortungsvoll gegenüber der Bevölkerung?

Ich will jedem Menschen zubilligen, dass er nur das Beste im Sinn hat. Und subjektiv empfunden ist es durchaus verantwortungsvoll sich gegen 5G im Ort zu stemmen, wenn man überzeugt ist, damit sich und andere vor Gefahren schützen zu können. Objektiv betrachtet kann ich jedoch nicht erkennen, dass der Versuch, dem Ort, für den man kommunalpolitische Verantwortung übernommen hat, moderne Kommunikationstechnologien vorzuenthalten, tatsächlich einwohnernützig ist. Es gibt meines Erachtens keinen guten Grund dafür. Modernster Mobilfunk ist ein positiver Faktor im kommunalen Standortvergleich und zwar in jeder Hinsicht. Das wird im Übrigen in fast allen Städten und Gemeinden auch so gesehen. Vielfach machen sich kommunale Verantwortungsträger sogar aktiv auf die Suche nach Betreibern und bieten besonders günstige Standortbedingungen, um im Interessen Ihrer Bürger/innen die beste Mobilfunkinfrastruktur zu bekommen. Nach meiner Wahrnehmung werden solche Bemühungen bei der nächsten Kommunalwahl auch mit Stimmen honoriert. In aller Regel weiß nämlich die schweigende Mehrheit der Einwohner/innen die Vorzüge modernen Mobilfunks zu schätzen, nutzt und befürwortet diesen.

 

Soll das heißen, derartige Moratorien spiegeln nicht die Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung wider?

Nach meiner Wahrnehmung ist das grundsätzlich so. Oder meinen Sie in irgendeiner 25.000 Einwohner/innen Stadt irgendwo in Deutschland lebten mehrheitlich Mobilfunkkritiker/innen? Menschen, die aus Überzeugung keine Mobilfunkgeräte nutzen und kein 5G in ihrer Stadt haben wollen? Eine solche Stadt werden Sie nicht finden. Allerdings – und das muss der Vollständigkeit halber auch gesagt werden – je kleiner die kommunale Gebietskörperschaft, desto eher kann zuweilen ein auf die Einwohner/innenzahl bezogen höheres Maß an Mobilfunkgegnerschaft auftreten und bei Kleinstgemeinden von unter 100 Einwohner/innen mag es in sehr seltenen Fällen auch schon einmal die Mehrheit sein. Das kann ich jedenfalls nicht ausschließen. Mir ist allerdings kein Fall bekannt, mit dem ich eine solche Ausnahmen von der Regel belegen könnte.

 

Dürfen Kommunen überhaupt solche Beschlüsse fassen und welche rechtlichen Wirkungen haben diese?

Da gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Stimmen die vertreten, dass Kommunen nur Beschlüsse fassen dürfen und sollten, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen. Die Genehmigungsvoraussetzungen für Mobilfunkanlagen werden allerdings durch Bundes- und Landesrecht gesetzt, sodass Kommunen bei Mobilfunk- Moratorien nach dieser Ansicht grundsätzlich außerhalb ihrer Zuständigkeit handeln.

Als Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der immerhin Sprachrohr von mehr als 11.000 großen, mittleren und kleineren Kommunen ist und für deren Interessen eintritt, sehe ich das natürlich anders. Jeder Rat sollte sich auch mit Themen außerhalb seiner unmittelbaren Zuständigkeit befassen dürfen, solange sich ein ortsbezogener Zusammenhang erkennen lässt. Der ist im Falle des Mobilfunks und der 5G Technologie nach meiner Meinung gegeben. Schließlich ist die Möglichkeit, dass im Ort eine 5G Anlage aufgestellt wird, nicht fernliegend. Da muss es erlaubt sein zu sagen: „Das will die Mehrheit der Ratsmitglieder hier nicht“. Eine andere Frage ist, ob es empfehlenswert ist einen solchen Beschluss zu fassen.

Zur Frage der rechtlichen Wirkung ist die Antwort allerdings eindeutig. Ein gemeindliches 5G- Moratorium entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung. Es ist ein reiner Appell, eine Meinungsäußerung.

 

Was bedeutet ein 5G-Moratorium faktisch für eine Kommune? Kann eine Kommune 5G auf ihrem Gemarkungsgebiet verbieten oder verhindern

Nein, eine Stadt oder Gemeinde kann die Aufstellung einer 5G Anlage nicht generell als auf ihrem Gebiet unzulässig anordnen. Ob eine solche Anlage zulässig ist, also errichtet und betrieben werden darf, richtet sich nach Immissionsschutzrecht, den Bauordnungen der Länder, Natur- und Denkmalschutzrecht sowie in seltenen Fällen örtlichen Satzungen über spezielle, besonders schützenswerte Ortsgestaltung. Sofern diese gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind, ist es erlaubt, eine Mobilfunkanlage – gleich welcher Technologie – zu bauen und zu betreiben. Wir leben in einem Rechtsstaat. In Deutschland ist alles erlaubt, was nicht von zuständiger Stelle verboten ist oder gegen die Gesetze verstößt. Das ist der Grundsatz rechtstaatlichen Verwaltungshandels, der alle Rechtsträger in Deutschland vor staatlicher Willkür bewahrt.

Welche Auswirkungen auf die Mobilfunkversorgung sind denn dann von 5G- Moratorien überhaupt zu erwarten?

Auch wenn keine unmittelbare Rechtswirkung mit solchen Deklarationen verbunden ist, sollte man die Strahlkraft eines solchen Ratsbeschlusses nicht unterschätzen. Ein potentieller Investor, ein Gewerbebetrieb oder eine junge Familie werden es sich dreimal überlegen, ob sie sich in einem Ort ansiedeln, der sich mit Ratsbeschluss öffentlich von Zukunftstechnologien distanziert. Man schafft sich einen enormen Nachteil im Standortwettbewerb, was sich sicher nicht hilfreich auf die Ortsentwicklung auswirkt.

Und natürlich schafft man sich unter Umständen auch unguten Handlungsdruck in der eigenen Verwaltung. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben den Mobilfunknetzbetreibern eigene Liegenschaften für den Betrieb von Basisstationen zur Verfügung gestellt. Diese Verträge werden in der Regel für 10 oder 12 Jahre geschlossen und müssen dann neu abgeschlossen oder verlängert werden. Was macht man also, wenn so ein Vertrag über eine 4G- LTE Station ausläuft und man hat ein 5G- Moratorium deklariert? Kappt man jetzt die LTE- Versorgung im Ort, weil ja schließlich 4G und 5G im Wesentlichen auf der gleichen Technologie basieren und deshalb ja von den gesundheitlichen Auswirkungen vergleichbar sein müssten? Die Bürger/innen werden sich in diesem Fall wohl herzlich bedanken bei der nächsten Wahl, soviel ist klar. Versucht man auf sich eine Begründung zurechtzubiegen warum 4G noch tolerabel ist, 5G aber nicht? Die Begründung wird schwerfallen, zumindest wenn man auf Grundlage seriöser Quellen argumentiert. Es gibt aus seriöser Quelle nämlich keinen Beleg über besondere vom in Deutschland betriebenen Mobilfunk ausgehenden Gesundheitsgefahren. Wir haben äußerst vorsichtig gesetzte Grenzwerte. Diese müssen für jede Mobilfunkanlage eingehalten werden. Das gilt für 4G, wie für 5G.

 

Wie passen solche Beschlüsse zu dem dialogischen Grundgedanken und der Ausbauintention der Mobilfunkvereinbarung?

Im Grunde gar nicht. Die kommunalen Spitzenverbände und Mobilfunknetzbetreiber haben im Jahre 2001 eine „Vereinbarung über den Informationsaustausch und die Beteiligung der Kommunen beim Ausbau des Mobilfunknetzes“ abgeschlossen. Sie wurde erst kürzlich im Juni 2020 aktualisiert. Mit dieser Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber wurde den Kommunen ein Mitspracherecht bei der Auswahl von Mobilfunkstandorten im Stadt-/Gemeindegebiet eingeräumt. Ein 5G- Moratorium trägt allerdings die Botschaft: „Kommt nicht in Frage, darüber brauchen wir gar nicht erst zu sprechen!“ Die Betreiber werden aufgrund der Selbstverpflichtung dennoch den Dialog suchen, sofern eine 5G Mobilfunkanlage geplant ist. Wenn die Kommune sich dann wegen eines 5G – Moratoriums nicht beteiligt, verzichtet sie gleichzeitig auf ihre Einwirkungsmöglichkeiten auf die Standortauswahl der Anlage im Ort. Dann werden die Betreiber ohne Abstimmung mit der Kommunen den für sie günstigsten Standort wählen. Das finde ich schade, denn wir haben diese Vereinbarung damals angestrebt, eben weil die Städte und Gemeinden regelmäßig gar keinen Einfluss auf die Genehmigung einer Mobilfunkanlage nehmen können, weil Bundes -und Ländergesetze den rechtlichen Rahmen für Mobilfunk bilden und nicht Ortsrecht.

 

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