Der Fachbegriff Latenz bezeichnet die Reaktionszeit, die das Mobilfunknetz benötigt, um die Antwort auf eine Anfrage von einem Endgerät zu liefern. Im technischen Umfeld verbreitet ist dafür auch der Begriff „Ping-Zeit“. Er drückt annähernd dasselbe aus, weil das Netzwerk-Dienstprogramm „Ping“ dazu dient, die Laufzeit einzelner Datenpakete zu ermitteln – was letztlich die beschriebene Reaktionszeit definiert.
Die typische Antwort- oder Reaktionszeit betrug in 3G-Netzen je nach Standort des Nutzers und Netzarchitektur noch 80 bis zu 400 Millisekunden (tausendstel Sekunden). Zum Vergleich: Ein menschlicher Wimpernschlag dauert etwa 100 Millisekunden. Im 4G/LTE-Netz ließ sich der Latenz-Wert auf typischerweise 10 bis 40 Millisekunden senken. 5G führt zu einer abermaligen Reduktion – in üblichen 5G-Architekturen typischerweise 8 bis 20 Millisekunden. Zum Vergleich: 8 Millisekunden beträgt die Verschlusszeit einer Fotokamera bei der Einstellung 1/125 Sekunde.
Das Ziel bei der weiteren Entwicklung von 5G ist, diese Reaktionszeit auf eine Größenordnung von 1 bis 3 Millisekunden zu reduzieren. Somit sollen künftig Reaktionen aus dem Netz in nahezu Echtzeit erfolgen. Dies setzt jedoch latenzoptimierte Netzarchitekturen wie insbesondere das sogenannte Edge Computing voraus.
Denn wenn Latenzen auf wenige Millisekunden sinken sollen, werden selbst die in annähernd Lichtgeschwindigkeit erfolgenden Übertragungen auf Glasfaserkabeln zu einem begrenzenden Faktor: Eine Geschwindigkeit von etwa 300.000 Kilometer pro Sekunde (ein typischer Wert auf Glasfasern) bedeutet, dass innerhalb einer Millisekunde eine Wegstrecke von 200 km zurückgelegt wird. Daraus folgt, dass der Hin- und Rückweg der Daten inklusive Funkstrecke und anschließender Glasfaser-gestützter Weiterleitung zu Edge-Cloud-Servern nicht wesentlich weitere Wege als rund 200 Kilometer benötigen darf.
Immer mehr Mobilfunkanwendungen erfordern Echtzeit
Doch warum strebt 5G überhaupt Reaktionszeiten in nahezu Echtzeit an? Dies ergibt sich aus den Anforderungen bestimmter Anwendungen. So muss etwa die Fernsteuerung von Robotern via 5G mit minimalen Latenzen erfolgen, damit ein aus der Ferne kontrollierter Roboter die zurückzulegenden Wege präzise einhalten und auf plötzlich auftauchende Hindernisse (wie nicht zuletzt auch Menschen oder Tiere in seinem Bewegungspfad) umgehend reagieren kann.
Auch die Übertragung von Statusinformationen zwischen Fahrzeugen per Car-2-Car-Kommunikation muss mit möglichst geringen Latenzen erfolgen, damit Brems- oder Ausweichmanöver in kritischen Verkehrssituationen schnell genug erfolgen können.
Ähnliches gilt auch für Anwendungen im Bereich Augmented oder Virtual Reality. Die Reaktionen zum Beispiel auf Kopfbewegungen des Benutzers müssen in wenigen Millisekunden erfolgen, damit die Displayanzeigen oder Einblendungen realistisch wirken. Zu große Latenzen bei der Nutzung von AR- und VR-Brillen führen beim Anwender sogar zu „Motion Sickness“ (Unwohlsein durch Abweichungen zwischen der visuell wahrgenommenen Bewegung und dem Bewegungsempfinden des Gleichgewichtssinns): Durch eine zu große Diskrepanz zwischen ihren eigenen Bewegungen und den Reaktionen der von ihnen besuchten virtuellen Umgebungen wird den Nutzern dann regelrecht übel. Netzarchitekturen, die dies vermeiden und dazu für die skizzierten Anwendungen annähernde Echtzeit-Reaktionen bereitstellen, werden auch als „taktiles Internet“ bezeichnet.
Ziel für die Zukunft: noch geringere Latenzen
Latenzzeiten weiter zu reduzieren ist daher ein wichtiges Entwicklungsziel sowohl bei der Weiterentwicklung von 5G als beispielsweise auch bei der Vorbereitung des ab 2030 geplanten Mobilfunkstandards 6G.
Da Informationsübertragung jedoch aus physikalischen Gründen nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit erfolgen kann, setzen die Entwickler auch noch auf andere Konzepte zur Latenzminimierung: Beispielsweise auf die Vorhersage von Bewegungen durch die Analyse von Bewegungspfaden und mithilfe statistischer Modelle, Hochrechnungen per Künstlicher Intelligenz und ähnliche Verfahren. Wenn dies gelingt, wären in Zukunft sogar Latenzen von noch weniger als einer Millisekunde denkbar.