- „Zirkuläre Geschäftsmodelle“ wie der Handel mit Second-Hand-Geräten und Mietangebote sollen den Ressourcenverbrauch durch Smartphones und andere Elektronik-Geräte reduzieren.
- Sorgen, dass die gebrauchten Geräte Qualitätsmängel haben könnten, begegnen die Anbieter durch besonders lange Garantiezeiten von bis zu drei Jahren.
- Auch das „Recht auf Reparatur“ führt dazu, dass Gerätehersteller sich überlegen, wie sie mit solchen Rahmenbedingungen in Zukunft besser umgehen können.
- Telekommunikationsunternehmen könnten in diesem Zusammenhang auch mit Daten helfen, die bei der Nutzung der Geräte ohnehin anfallen – etwa Betriebszeiten, Geräte- oder Akkuzustand.
Immer mehr elektronische Geräte im Alltag verbrauchen wertvolle Ressourcen und verursachen Umweltprobleme. Zirkuläre Geschäftsmodelle, wie der Verkauf von Gebrauchtgeräten und Mietservices, sollen diese Auswirkungen mildern. Zielsetzung ist, die Nutzungsdauer zu verlängern und die Nutzung zu intensivieren – dadurch könnte der Bedarf an neuen Ressourcen verringert werden. Ob solche zirkulären Angebot eine Wirkung haben, hängt jedoch davon ab, wie sie praktisch genutzt und angenommen werden.
Diese Frage hat die Studie „Undress Circularity“, die in englischer Sprache erschienen ist. Durchgeführt hat sie das Unternehmen Circularity, das sich selbst als „Do-Tank“ definiert – also als Think Tank, bei dem das Tun im Vordergrund steht.
In der aktuellen Folge unseres Podcasts „MobilfunkTalk“ sprechen wir mit Dr. Paul Wöbkenberg, Vorstand und Gründer von Circularity. Mit ihm werfen wir einen genaueren Blick auf den Markt für gebrauchte Elektronik in Deutschland.
NOCH MEHR NUTZUNGSBEREITSCHAFT UND NACHHALTIGKEITSBEWUSSTSEIN ERFORDERLICH
Die Studie hat zirkuläre Geschäftsmodelle im Elektronikmarkt unter die Lupe genommen – sowohl für die Nutzung durch Unternehmen als auch für den Einsatz bei Privatkunden. Auch die Annahme von Reparaturangeboten wurde untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass Second-Hand-Modelle, Mietangebote und Reparaturservices bereits in den Markt Eingang gefunden haben. Unternehmen machen davon aber mehr Gebrauch als Privatleute – nur 21% der Bevölkerung haben bislang schon einmal ein gebrauchtes Elektrogerät erworben. Bisher setze die Nutzung solcher Angebote noch ein starkes Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei der Anwenderin oder dem Anwender voraus.
Ein Umfrage-Ergebnis aus der „Undress Circularity“-Studie: Welche Aspekte sind Konsumenten beim Gerätekauf wichtig? In der Reihenfolge der Nennungen: Kaufpreis, Garantiezeit, Komfort im Kaufprozess, Marke/Design/Qualität und Reparierbarkeit.
Sollen Endverbraucher künftig stärker Gebrauch von solchen Angeboten machen, müssen entsprechende Angebote vor allem der Befürchtung von Qualitätsmängeln entgegentreten. Das lasse sich, so Dr. Wöbkenberg, in erster Linie durch lange Garantiezeiten der Anbieter gebraucht angebotener Geräte erreichen. Professionelle Plattformen wie Backmarket, Rebuy, Recommerce oder Refurbed haben dies bereits erkannt und bieten bis zu drei Jahre Garantie an. Ein weiterer Faktor sei, dass diese Angebote im Markt noch stärker sichtbar werden müssten, als dies heute der Fall ist. Dies gelte zudem auch für Reparatur- und Mietangebote.
Second-Hand-Käufer haben maßgeblich zwei Gründe, gebrauchte Geräte zu kaufen: Erstens den Preis und zweitens der Wunsch, nachhaltiger zu konsumieren. Für weniger nachhaltigkeitsbewusste Verbraucher träten praktische Aspekte wie die Garantiezeit, unkomplizierte Auswahl- und Einkaufprozesse, der Ablauf eventuell erforderlicher Reparaturen und weitere Kundenbindungsmaßnahmen in den Vordergrund. Aber auch hier seien die heute etablierten Anbieter schon recht weit, indem sie – analog zur Garantiehandhabung bei Neukauf – im Reparaturfall zum Beispiel kurzfristig das defekte Gerät gegen ein Ersatzgerät austauschen.
Chancen auch durch „Recht auf Reparatur“
Hochaktuell sei in diesem Zusammenhang aber auch die Reparierbarkeit von Geräten wie Smartphones. Hier wird von den Herstellern ja schon länger gefordert, diesen Aspekt bei der Konstruktion zu berücksichtigen und Ersatzteile ohne Einschränkungen zur Verfügung zu stellen – zum Beispiel auch Dritt-Dienstleistern. Allmählich fände auch das „Recht auf Reparatur“ Einzug in den Markt – so gibt es beispielsweise ein entsprechendes Pilotprojekt in Berlin. Wer dort ein defektes Gerät zu einem Reparaturbetrieb oder auch einem Reparaturcafé bringe, kann einen Reparaturbonus von bis zu 200 Euro pro Person in Anspruch nehmen – gedeckelt auf 50 Prozent der entstandenen Kosten. Das Projekt läuft zunächst bis Ende des Jahres 2024. Auch solche Initiativen führen dazu, dass praktisch alle Hersteller sich überlegen, wie sie mit diesen Angeboten umgehen und welche Strategien sie bei der Reparaturabwicklung und Kooperation mit Reparaturbetrieben und anderen Akteuren verfolgen.
Der Staat sei darüber hinaus bei weiteren gesetzgeberischen Details gefordert – etwa den Vorschriften, wie mit Altgeräten umzugehen ist, wer sie überhaupt in Empfang nehmen, sammeln und weitertransportieren sowie weiterverarbeiten dürfe und Ähnliches. Hier würden praktikablere und reduzierte Vorschriften dazu beitragen, zirkuläre Geschäftsmodelle zu befördern.
Alle Hersteller haben verstanden, dass kein Weg an nachhaltigeren Geschäftsmodellen vorbei geht, ist Dr. Wöbkenberg überzeugt. Das bedinge aber auch, dass sich Zielsetzungen ändern: Statt möglichst viele Geräte in den Markt zu bringen, müsse im Fokus stehen, deren Zahl eher möglichst gering zu halten. Aber auch dies finde bereits heute statt – etwa durch Vermiet- oder Ankaufsangebote für gebrauchte Geräte in Elektromärkten oder vonseiten der Mobilfunk-Netzbetreiber. Gerade Telekommunikationsunternehmen spielten in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie zum Beispiel eine hohe Zahl von Smartphones „in Verkehr bringen“. Sie nähmen deshalb auch eine Schlüsselposition für die Reparatur oder Rückholung solcher Geräte ein. Hilfreich könnten dabei Daten sein, die bei der Nutzung der Geräte ohnehin anfielen – etwa Betriebszeiten, Geräte- oder Akkuzustand. Ein Bonus bei Verkauf eines Neugerätes könnte zudem dazu beitragen, dass Gebrauchtgeräte nicht in Schubladen landen, sondern wirklich zurückgegeben werden. Aber auch Endkunden sollten „sekundäre Nutzungsmodelle“ mitdenken – so könnte ein altes Smartphone zum Beispiel immer noch als Wecker, als Stoppuhr oder als Web-Kamera funktionieren.
Auch die Einstellung von Verbrauchern und Unternehmen sollte sich weiterentwickeln
Im Hinblick auf den Ankauf berichtet Dr. Wöbkenberg von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Markt: sogenannte A-Ware, die optisch und technisch in einem perfekten Zustand sind, seien eher knapp und von den Ankaufs-Plattformen heiß begehrt. Doch schon ein kleiner Kratzer im Display oder Gehäuse bringe die Geräte in die Qualitätsstufen B bis D – und hier hätten vielleicht auch die Kunden zu hohe Ansprüche. Denn von solchen Second-Hand-Geräten gebe es eher ein Überangebot und demgegenüber zu wenige Abnehmer.
Ein weiteres Problem: In Unternehmen sei die Einstellung noch weit verbreitet, nicht mehr verwendete Geräte direkt ins Recycling zu geben. Dies gelte neben Smartphones etwa auch für Laptops. In diesen Bereichen sieht Dr. Wöbkenberg einen starken Ansatzpunkt, mehr elektronische Geräte in den Second-Hand-Markt zu bringen. Denn wenn dies gelinge, so zeigt die „Undress Circularity“-Studie, werden Second-Hand-Geräte in ihrem „zweiten Leben“ fast noch einmal ebenso lang genutzt wie in ihrer ursprünglichen Erst-Verwendung. In einer künftigen Studie, für die Circularity mit anderen Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (Fraunhofer IZM) zusammenarbeitet, sei geplant, die Lebenswege solcher gebrauchten Elektronik-Geräte noch genauer zu untersuchen.
Veröffentlicht am 29.10.2024