Förde 5G: Autonomer Fährbetrieb dank Mobilfunk

25. Oktober 2023
    • Im Forschungsprojekt „Förde 5G“ geht es um die Entwicklung von Systemen, die den Mobilfunkstandard 5G nutzen, um autonom fahrende Verkehrsträger zu Wasser zu ermöglichen und miteinander zu vernetzen.
    • Als Ergebnis sollen teilautonome, aus einem Kontrollzentrum von einem Menschen überwachte, Fähren einen komfortabel getakteten Fährverkehr in der Kieler Förde trotz Fachkräftemangel auch in Zukunft sicherstellen.
    • 5G schafft mit seinen hohen Datenraten und kurzen Latenzen die nötigen Voraussetzungen für diese Anwendung. Schon in etwa fünf Jahren könnte es losgehen.

    Eine Fähre zu entwickeln, die das Kieler Ost- und Westufer miteinander verbindet, Personen befördert und autonom unterwegs ist, das ist das Ziel des Projektes „Förde 5G“. Was auf Straßen oder Schienen schon ein komplexes Thema ist, wird auf dem Wasser noch deutlich herausfordernder. Die Kieler Förde ist eine viel befahrene Wasserstraße, genau dort wollen die Projektpartner den autonomen Schiffsbetrieb erproben.

    Ziele des Projekts Förde 5G sind die Entwicklung, Erprobung und Demonstration von Systemen, die den Mobilfunkstandard 5G nutzen, um autonom fahrende Verkehrsträger zu Wasser zu ermöglichen und miteinander zu vernetzen. Dazu legt das Projekt seine Schwerpunkte auf ein virtuelles Testfeld, 5G-Datenmanagement sowie ein 5G-Kontrollzentrum zur Überwachung autonomer Manöver.

    Über dieses Kieler Projekt der autonomen und emissionsarmen Fähre haben wir in der neuesten Folge unseres Podcasts „MobilfunkTalk“ mit Professor Dr. Olaf Landsiedel von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gesprochen.

    Autonomes Fahren ist auf dem Wasser fast noch komplizierter als auf der Straße

    Prof. Landsiedel erklärt die prinzipiellen Herausforderungen: Die Komplexität der autonomen Steuerung ist vergleichbar mit der eines Autos auf einer Straße – vielleicht sogar noch etwas höher. Denn die Bremswege sind bei Schiffen ungleich länger als bei einem Auto. Genau wie auf der Straße spielt aber auch auf Wasserwegen die Objekterkennung durch Kameras eine zentrale Rolle – die Fähre muss anderen Schiffen und weiteren Objekten gegebenenfalls ausweichen. Dabei sind eigene Manöver wie auch die der anderen Schiffe wegen deren Trägheit schwieriger vorherzusagen als im Straßenverkehr. Hinzu kommt die nachts nur undeutliche Erkennbarkeit und Beleuchtung von Wasserfahrzeugen – hier sollen beispielsweise Radar- und Lidar-Sensoren unterstützen. Aber auch dabei gibt es aber auf dem Wasser wieder besondere Herausforderungen, weil etwa Nebel oder Wasserspritzer bei Lidar zu Fehlmessungen führen können und zudem die Reichweiten solcher Sensoren vergleichsweise begrenzt sind.

    Zur Analyse des Sensor-Inputs dient auch künstliche Intelligenz. Die Datenverarbeitung kann entweder direkt auf dem Schiff erfolgen, oder in einem Rechenzentrum an Land. In Küstennähe kann dann der Mobilfunkstandard 5G dazu beitragen, die großen Datenmengen schnell und zuverlässig zwischen Schiff und Rechenzentrum hin und her zu senden. In der Kieler Förde läuft es wohl auf einen kombinierten Ansatz hinaus: Datenverarbeitung auf dem Schiff soweit möglich, unterstützt von zusätzlicher Verarbeitung an Land.

    Ohnehin ist auf dem Weg zu vollständiger Autonomie in absehbarer Zeit zunächst eine Überwachung von Land aus geplant. Ein Kapitän in einem Kontrollzentrum würde dann mehrere Fähren gleichzeitig überwachen und könnte in Notfällen manuell eingreifen – gerade auch dafür ist die Landverbindung des Wasserfahrzeugs per Mobilfunk eine entscheidende Voraussetzung. Die hohen Datenraten und niedrigen Latenzen von 5G ermöglichen dies.

    Teilautonome Fähren, die aus einem Kontrollzentrum überwacht werden, könnte es schon in fünf Jahren geben

    Eine vollautonome Fähre ohne Unterstützung durch ein Kontrollzentrum liegt noch deutlich entfernter in der Zukunft. Aber eine teilautonome Fähre, die wie beschrieben von einer Zentrale aus überwacht wird, könnte nach Einschätzung von Prof. Landsiedel schon in etwa fünf Jahren einsatzbereit sein. Dies sei gerade auch im Hinblick auf den zunehmenden Fachkräftemangel fast unverzichtbar.

    Teilweise lassen sich die Ergebnisse des Forschungsprojekts auch auf andere maritime Anwendungen übertragen – bis hin zu großen Frachtschiffen. Dabei ist ein Vorteil, dass die besonders zeitkritischen Manöver wie beispielsweise An- und Ablegen praktisch immer nur in Landnähe stattfinden. Auf dem freien Ozean gibt es zwar keine 5G-Versorgung, sondern allenfalls eine Satellitenverbindung. Dafür sind dort die Abstände zu anderen Schiffen größer als in Hafenbereichen oder Innenförden. Doch auch diese Fragen seien noch Gegenstand der laufenden Forschung.

    Ein weiterer Aspekt der Forschungsarbeit ist auch die Frage, was erforderlich ist, um den Passagieren das nötige Vertrauen zu geben, in eine solche teilautonome Fähre einzusteigen. Auf der Kieler Woche, die im Juni 2023 stattfand, hat das Team sein Projekt bereits öffentlich vorgestellt. Dabei zeigte sich, dass normale Nutzer beim Konzept einer vollständig autonomen Fähre noch zögern. Gegenüber der Variante einer teilautonomen Fähre, auf die ein Mensch in einem Kontrollzentrum im Hintergrund noch auf das Geschehen aufpasst, war das Publikum hingegen deutlich aufgeschlossener – vor allem im Hinblick darauf, dass angesichts des Fachkräftemangels entsprechende Angebote ohne solche Lösungen andernfalls massiv eingeschränkt werden müssten.

Auf allen wichtigen Podcast-Plattformen vertreten

 

Das rund 14-minütige Gespräch mit Professor Dr. Olaf Landsiedel haben wir in der neuesten Folge unseres Podcasts MobilfunkTalk veröffentlicht. Sie finden ihn auf allen einschlägigen Podcast-Plattformen.

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