Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind zwei Begriffe, die bei Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wichtiger werden. Oft klafft aber zwischen der theoretischen Einsicht und dem praktischen Handeln eine gewisse Lücke. Wir haben mit Arndt Polifke, Director New Business beim Marktforschungsunternehmen infas quo über Nachhaltigkeit beim Smartphone-Kauf gesprochen. Infas quo hat einige aktuelle Umfragen zum Thema Nachhaltigkeit, insbesondere zu den Entscheidungskriterien beim Kaufverhalten erstellt. Ein Fokus liegt auf der Betrachtung der „refurbished-Geräte, das sind generalüberholte bereits genutzte Geräten wie Smartphones, die als Alternative zu Neugeräten angeboten werden.
In der Kreislaufwirtschaft spricht man von den 6-R-Regeln (Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln, Reparieren, Aufbereiten und Überdenken). Bezogen auf Smartphones: Wo stehen wir da?
Je nach ‚R‘ gar nicht so schlecht: Ziemlich weit vorne ist man schon in Bezug auf Repair, Re-use und Refurbishment, also Wiederverwendung und Aufbereitung: Zumindest im populären oberen Preissegment ist es inzwischen relativ gängig, dass Geräte bei einer Beschädigung nicht mehr gleich durch ein neues ersetzt werden, sondern man sie reparieren lässt, also z.B. Displays oder Akkus ausgetauscht werden. Und Geräte, die von ihren Erstbesitzern ausgemustert werden, ein Zweitleben erhalten. Auch zum Thema Recycling ist vermehrt das Bewusstsein da, dass es sinnvoller ist, Geräte richtig zu entsorgen und damit die darin enthaltenen Materialien wieder dem Produktionskreislauf zuzuführen. Bei den Themen Reduzierung und Überdenken gibt es dagegen noch Luft nach oben. Der Materialeinsatz ist pro Gerät eher zunehmend und wenn Smartphones heute über mehr Jahre genutzt werden bevor sie ersetzt werden, als früher, mag das auch einer – empfundenen – langsameren technischen Entwicklung geschuldet sein, als dass es eine bewusste Entscheidung im Sinne eines nachhaltigen Handelns auf Konsumentenseite wäre.
Sie haben Befragungen zum Kauf von wiederaufbereiteten Gebrauchtgeräten (refurbished) durchgeführt. Welches sind da die Erkenntnisse?
Der Kauf refurbishter Elektronikgeräte ist inzwischen für viele Personen so denkbar, wie zum Beispiel der Kauf von Gebrauchtwagen. Das Thema ist inzwischen in allen Altersgruppen angekommen. Und Smartphones sind ein Treiber dieser Entwicklung.
Wie viele Menschen haben bereits ein refurbishtes Produkt gekauft?
Es haben in unserer im zweiten Quartal 2023 durchgeführten repräsentativen infas quo-Studie etwa 30 Prozent der Befragten angegeben, in den vergangenen fünf Jahren ein wiederaufgearbeitetes Elektronik- oder Haushaltsgerät gekauft zu haben, also hat fast ein Drittel der Bevölkerung über 16 Jahren bis 79 Jahren damit bereits Erfahrung gemacht.
Gibt es spezielle Kundengruppen, die sich für gebrauchte Geräte entscheiden?
Zum einen ist festzustellen, dass zwar Abweichungen im Quervergleich der Altersgruppen erkennbar sind, aber man doch sagen kann, dass das Thema für keine Altersgruppe mehr ein Tabu ist. In der Altersgruppe ab 50 sinkt der Anteil der Refurbished-Kaufenden auf 26 Prozent etwas ab, während er von 16 bis 49 Jahren durchgängig bei ca. 34 Prozent liegt. Zwischen den Geschlechtern gibt es keine nennenswerten Unterschiede.
Inwiefern spielen Smartphones im Refurbished-Markt eine Rolle?
Smartphones sind zweifelsohne der Vorreiter in diesem Produktsegment. Es begann ja damit, dass subventionierte oder geleaste Geräte am Ende von zumeist 24 Monaten Vertragslaufzeit durch neue ersetzt wurden, und man diese Rückläufer nach einer professionellen Wiederaufarbeitung wieder in den Markt gebracht hat. Anfangs wurden sie allerdings nicht bei uns, sondern in anderen Märkten, bspw. in Afrika verkauft, aber dann hat man erkannt, dass auch hierzulande eine große Nachfrage danach besteht.
Was waren die Gründe für den Kauf eines aufbereiteten Smartphones?
Mit 75 Prozent ist ‚der Preisvorteil gegenüber dem entsprechenden Neuprodukt‘ der häufigste genannte Grund für den Kauf refurbishter Smartphones Dahinter rangieren der Nachhaltigkeitsaspekt, der für jede/n Zweiten ebenfalls wichtig war. 40 Prozent war die Garantie trotz Gebrauchtkauf ein wichtiger Grund für den Kauf eines refurbishten Gerätes.
Ist ein refurbishtes Smartphone nachhaltiger?
‚Den geringsten Ressourcenverbrauch hat ein Gerät, das nicht produziert wird‘ heisst es, daher würde ich sagen: Ja, auf jeden Fall, wenn der Kauf anstelle eines Neugeräte-Kaufs erfolgt.
Welches sind generell die wesentlichen Kriterien beim Kauf eines Smartphones?
Wichtigste Kriterien sind für Konsumenten in Deutschland Qualität und der Match mit den eigenen Bedürfnissen (93%) gefolgt von Datensicherheit (87%) und Preis (83%). Dass man ‚technisch auf dem neuesten Stand‘ ist, rangiert ebenso erst in der zweiten Hälfte der Kriterien, wie auch ‚explizite Nachhaltigkeit‘. Man könnte jetzt sagen, Nachhaltigkeit steht also nicht so im Fokus, aber die häufig genannten Kriterien Qualität bzw Langlebigkeit und Energieverbrauch stehen implizit für die hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit bei der Geräte-Wahl.
Welche Rolle spielt die Reparierbarkeit?
Insgesamt ist der Anteil von Personen, die allein in den vergangen zwei Jahren mindestens einmal ein Gerät reparieren ließen, bei Smartphones mit 17 Prozent am höchsten – im Quervergleich mit anderen Elektro- oder Haushaltsgeräten, Smartphones rangieren damit knapp vor PCs/Notebooks und Waschmaschinen.
Sind Verbraucherinnen und Verbraucher bereit, defekte Geräte reparieren zu lassen?
Davon darf man ausgehen! Im Durchschnitt der zehn abgefragten Produktgruppen aus den Bereichen Haushalts- und Unterhaltungselektronik und ITK gab es bei jedem/r zehnten Befragten mindestens einen Reparaturfall, also statistisch ließ jede/r Konsument/in in den vergangen zwei Jahren einmal eine Reparatur durchführen. Hinzu kommen nochmal etwa Dreiviertel so viele Fälle, bei denen Schäden auftraten und man diese reparieren wollte, von einer Reparatur aber aus unterschiedlichen Gründen abgesehen wurde. Zum Beispiel, weil es zu teuer und damit ökonomisch nicht sinnvoll war, oder aus technischen Gründen nicht möglich, oder weil man dann doch lieber ein neues Gerät wollte.
Wo geht Ihrer Meinung nach in Sachen Nachhaltigkeit der Trend hin?
Auf der einen Seite wird es darum gehen, die Konsumenten zu bewegen, ihre daheim gehorteten ausrangierten Elektrogeräte fachgerecht zu entsorgen, damit die Materialien wieder dem Produktionskreislauf zugeführt werden können. Zweitens: Die Reparierbarkeit von Elektrogeräten und Smartphones wird erleichtert werden. Drittens werden Angebote refurbishter Produkte noch stark an Bedeutung gewinnen. Während wie oben gesagt schon drei von zehn Befragten in den vergangenen fünf Jahren ein solches Gerät gekauft haben, ist die Offenheit dafür aber noch viel größer etwa 67 Prozent der Befragten können sich vorstellen, sich künftig ein gebrauchtes, wiederaufgearbeitetes Gerät zu kaufen. Das Interesse auf der Nachfrageseite ist also gegeben, und ich rechne mit einer weiteren Verbreiterung des professionellen Angebots. Auch Hersteller werden hier künftig eine aktivere Rolle spielen und es werden sicher unterschiedliche Geschäftsmodelle entwickelt, wie zum Beispiel Geräte-Leasing.
Und zuguterletzt könnten Hersteller dazu übergehen, Geräte mit besonders hohen Anteilen an fair gehandelten Rohstoffen oder nachhaltig produzierten Bauteilen zu entwickeln und dies marketingseitig hervorzuheben. Darin sehen wir noch viele Möglichkeiten!