Die Strahlenschutzkommission (SSK) hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums geprüft, ob aus aktueller Sicht der Forschung die Grundlagen, auf denen die in Deutschland geltenden Grenzwerte für Hochfrequenzimmissionen basieren, weiterhin uneingeschränkt Gültigkeit besitzen. Anlass für diesen Auftrag war der Start des 5G-Mobilfunknetzausbaus in Deutschland im Jahr 2019. Die SSK kommt in der aktuellen Stellungnahme zu dem Schluss, dass die in Deutschland geltenden Vorschriften geeignet sind, die Sicherheit in der Umgebung der aktuell im Aufbau befindlichen 5G-Mobilfunkbasisstationen zu gewährleisten. Wir haben mit Prof. Achim Enders von der TU Braunschweig über seine Meinung zu der aktuellen Bewertung gesprochen.
Was ist bei 5G aus Sicht des Strahlenschutzes anders als bei den Vorgängertechnologien?
Zunächst werden alle digitalen Mobilfunksysteme als reine Software-Programme entworfen. Die zugehörige Funktechnik, also die Sender und Empfänger in Basisstationen und Mobiltelefonen, kommt erst sehr spät ins Spiel. Sie muss dann insbesondere die von den Nutzern geforderte Steigerung der Datenrate ermöglichen. Während die älteren 2G-Systeme noch hauptsächlich für die Sprachübertragung ausgelegt waren, soll 5G schon eine sehr gute Videoübertragung ermöglichen, d.h. die benötigte Datenrate geht drastisch rauf. Aus Sicht des Strahlenschutzes gibt es aber zunächst prinzipiell keine Unterschiede, denn unabhängig von der Datenrate werden in allen diesen Systemen eben Folgen von Nullen und Einsen über Funkwellen übermittelt. Übrigens ist das beim digitalen Rundfunk und beim digitalen Fernsehen genauso. Funkwellen sind in physikalischer Sichtweise gestrahlte elektromagnetische Felder ebenso wie das Licht oder die Wärmestrahlung, also in dieser Hinsicht überhaupt nichts Besonderes.
Welche technischen Aspekte werden in der Stellungnahme behandelt?
Es wird auf die wesentlichen Aspekte eingegangen, die die benötigte höhere Datenrate im Vergleich zum 4G-Vorgängersystem ermöglichen. Hierbei ist u.a. eine für diese Zwecke erstmals zum Einsatz kommende, intelligente Steuerung der Funkrichtungen über die sogenannte MIMO-Antennentechnik zu nennen. Diese ist bzgl. des Strahlenschutzes leider häufig sehr missverständlich erklärt worden, teilweise sogar panikartig nach dem Motto, dass die Basisstation jetzt die Funkwellen zu Einzelpersonen hin aufkonzentrieren könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Es wird nichts aufkonzentriert, sondern bei gleicher Datenrate bleibt bei 5G-MIMO die Funkverbindung im Vergleich zu 4G von Basisstation zum Handynutzer dieselbe, während die Funkwellen in die anderen, nicht benötigten Richtungen auf möglichst kleine Pegel abgesenkt werden können. MIMO ermöglicht also, ganz im Sinne des Strahlenschutzes, eine weitere Absenkung der erforderlichen Strahlungsleistungen: Am Ort des Handynutzers bleibt die Leistungsdichte gleich, in der weiteren Umgebung wird sie aber reduziert. Es wird sogar noch besser: Die Sendeleistung des Handynutzers und damit seine persönliche Strahlungsexposition kann dann ebenfalls reduziert werden, da seine Signale von der MIMO-Antenne in der Basisstation besser „gesehen“ werden.
Das klingt ja so, als ob 5G insgesamt weniger Exposition für die Bevölkerung bedeuten würde – weshalb dann überhaupt die Aufregung um das Thema 5G?
Das wäre tatsächlich der Fall, wenn die bei 4G genutzten Datenraten nun mit diesen neuen Antennentechniken übertragen würden. Aber wie gesagt: Es sollen wesentlich höhere Datenraten realisiert werden, und damit wird es komplexer. Die MIMO-Antennen von 5G-Basisstationen blicken genauer in die jeweilige Richtung des Handynutzers und können dann mehr Nutzer mit je individuellen Datenraten, oder aber vom Gesamtsystem aus gesehen mehr Information für mehr Nutzer übermitteln. Natürlich will auch der individuelle Nutzer eine höhere Datenrate übertragen haben, hierfür sind weitere technische Verbesserungen im 5G-System realisiert worden und nicht zuletzt soll die Dichte der Basisstationen erhöht, also der mittlere Abstand zum Handynutzer verkleinert werden. Hier könnte wieder eingewendet werden, dass dann doch die Gesamtexposition der Bevölkerung zunehmen müsste, aber so einfach ist es eben nicht – je kleiner die Abstände, desto weniger stark müssen auch die erforderlichen Funksignale sein. Die neue SSK-Stellungnahme nimmt hierzu eine sehr ausgewogene Gesamtbeurteilung vor und weist auch durchaus auf offene Fragen hin. Diese Fragen kann man aber definitiv nicht als mögliche Gefährdungen der Bevölkerung durch die Einführung von 5G interpretieren. Vielmehr wird die Bearbeitung einiger spezifischer Themen angeregt, die der weiteren, bestmöglichen Qualitätssicherung zur Einhaltung der bisherigen Strahlenschutzstandards auch bei 5G dienen.
Welche biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen sind in die aktuelle Bewertung eingeflossen?
Zunächst erfolgt hierzu eine kritische Würdigung von 21 entsprechenden Expertenberichten aus 9 internationalen Gremien für den Zeitraum von 2012 bis 2020 (teilweise wurde, wie bei der schwedischen SSM im Zeitraum 2013 bis 2020, die hinzukommende wissenschaftliche Literatur jährlich bewertet). In die aktuelle Bewertung sind zusätzlich alle weiteren, als relevant und wissenschaftlich belastbar geltenden Einzelpublikationen bis Mitte 2021 eingegangen. Es sollte vor allem auch erwähnt werden, dass wenige Einzelpublikationen, die auf biologische Wirkungen hinzuweisen scheinen, ebenfalls kritisch gewürdigt werden. Aus dieser Gesamtschau heraus wird das Urteil getroffen, „……, dass derzeit keine belastbaren Hinweise für gesundheitliche Risiken bei Expositionen von Personen unterhalb der in Deutschland gültigen Grenzwertvorgaben für Sendeanlagen und Endgeräte vorliegen.“
Wo gibt es aus Ihrer Sicht noch Forschungsbedarf und werden neue Frequenzen oberhalb 20 GHz an dem Gesamtbild etwas ändern?
Meine persönliche Meinung zu möglichen, bisher nicht nachgewiesenen Gesundheitsrisiken durch Mobilfunkstrahlung, natürlich unter Einhaltung der heutigen Grenzwertbestimmungen auch bei den genannten höheren Frequenzen, ist folgende:
Es wäre nobelpreiswürdig, wenn ein solcher Effekt tatsächlich jetzt noch, nachdem man 50 Jahre darauf geforscht hat, wider Erwarten dingfest gemacht wird. Ausschließen, das heißt eine Garantie dafür abgeben, dass es so etwas nicht gibt, kann man nicht. Das wäre keine seriöse Wissenschaft. Wir können nur Bilanz ziehen: Was wissen wir und mit welcher Restwahrscheinlichkeit akzeptieren wir Risiken oder nicht? Meiner Einschätzung nach ist ein mögliches Restrisiko hier auf diesem Gebiet so klein, dass man sich weiß Gott um andere, realere und wichtigere Risiken kümmern sollte. Um hier beim Strahlenschutz zu bleiben: Man denke nur an die sehr reale Hautkrebsgefahr durch zu viel UV-Strahlung von der Sonne. Aber das entbindet uns nicht von der Pflicht, auch das Gebiet der Funkstrahlung weiter zu verfolgen und nachzuschauen, was es an neuen Ergebnissen gibt. So muss man ja auch die Empfehlungen in der SSK-Stellungnahme verstehen. Nur bin ich da im Laufe der Jahre recht gelassen geworden.
Gibt es eine Empfehlung für Menschen, die Funkanwendungen kritisch gegenüberstehen?
Ja klar: Alle Untersuchungen haben ergeben, dass von den Mobilfunk-Basisstationen nur ein vernachlässigbarer Anteil an Strahlenexposition ausgeht, das allermeiste kommt von nah am Körper genutzten Endgeräten wie Mobiltelefonen – also vermeiden sie einfach deren Nutzung. Eine Mobilfunk nutzende Person in ihrer Nähe und erst recht die nächste Basisstation auf einem Hausdach mögen vielleicht negative Gefühle auslösen, sind aber als Verursacher biologischer Wirkungen in der seriösen Wissenschaft definitiv nicht beschrieben. Aber die Nutzung der Endgeräte in Frage zu stellen widerstrebt mir in gewisser Weise genauso, weil ich das Risiko hierfür, egal jetzt ob real existierend oder tatsächlich fiktiv, als extrem klein und damit vernachlässigbar ansehe.
Veröffentlicht am 27.04.22