Jedes Kind – und natürlich auch jeder Erwachsene – sollte diese Rufnummer kennen: Unter 112 erreicht man in Deutschland und auch allen EU-Ländern den Rettungsdienst, genauer gesagt die nächste Rettungsleitstelle. Sie ist gleichermaßen Anlaufstelle für den Rettungsdienst bei medizinischen Notfällen sowie für die Feuerwehr. Abhängig vom Grund des Notrufs setzt der Disponent in der Leitstelle eine Alarmierung für Rettungsdienst oder Feuerwehr ab und somit die erforderliche Hilfe in Bewegung. Im Rahmen des Telefonats mit dem Anrufenden fragt der Mitarbeiter an der Leitstelle möglichst viele Details des Notfalls ab, um beispielsweise zu ermitteln, wie viele und welche Einsatzkräfte vor Ort gebraucht werden. Spricht der Anrufer kein Deutsch und der Disponent nicht die erforderliche Fremdsprache, lassen sich internet-gestützte Simultan-Übersetzungsdienste sowie bei Bedarf für die Zusammenarbeit mit den Rettungsdiensten beauftragte Dolmetscher hinzuziehen.
Zwölf Minuten ist in Deutschland die Zielgröße für die Zeitspanne zwischen dem Hilferuf und dem Eintreffen der zuständigen Unterstützung am Ort des Geschehens. Diese Zeitspanne ist auch die Planungsgrundlage für die örtliche Verteilung von Leitstellen und den Einsatzzentralen von Feuerwehr und Rettungsdienst. Für Notrufe bei der Polizei gibt es im Übrigen die eigene bundeseinheitliche Rufnummer 110. Auch sie werden vom Netz automatisch an die geografisch am nächsten gelegene Polizeidienststelle geleitet und analog zu den Notrufen bei Rettungsdienst und Feuerwehr gehandhabt.
Rund 80 Prozent aller Notrufe gehen in den Leitstellen mittlerweile über das Mobilfunknetz ein. Dabei haben Notrufe einen Sonderstatus im Netz: Ist das „Heimatnetz“ des Nutzers nicht verfügbar, nutzen Notrufe auch jedes andere gerade vom Gerät empfangene Mobilfunknetz. Das Netz, über das der Notruf abgesetzt wird, weist den Anruf automatisch der geografisch nächsten Rettungsleitstelle zu.
Mittlerweile ist eine aktivierte SIM-Karte Voraussetzung
Bis 2009 war es sogar möglich, Notrufe auch ohne eingelegte SIM-Karte abzusetzen. Leider gab es dabei aber viel Missbrauch – manche Käufer von Gebrauchthandys riefen den Notruf sogar gedankenlos an, um die Funktionsfähigkeit des Mobiltelefons zu prüfen. Um dies zu unterbinden, verlangt die Notrufverordnung seither eine aktivierte SIM-Karte – der Urheber eines Anrufs soll sich immer identifizieren lassen. Dies ist wichtig zu wissen, weil oft noch der Glaube vorherrscht, auch ein Telefon ohne Mobilfunkkarte ließe sich zumindest noch für Notrufe nutzen – doch auch wenn diese Option im Menü angezeigt wird, trifft dies aus den genannten Gründen nicht mehr zu.
Tatsächlich wird bei Notrufen die Rufnummer des Anrufenden grundsätzlich mit übertragen – auch wenn der Nutzer die Rufnummernübermittlung für normale Telefonate in den Geräteeinstellungen unterdrückt hat. Außerdem meldet das Mobilfunknetz bei der Rettungsleitstelle immer die Funkzelle mit, in der das Mobiltelefon eingebucht ist, um zumindest eine ungefähre Lokalisierung des Anrufers zu ermöglichen. Mit der neueren Technik AML („Advanced Mobile Location“), die in allen deutschen Mobilfunknetzen unterstützt wird, gelingt die Ortung sogar noch präziser. AML, mitunter auch ELS („Emergency Location Service“) genannt, aktiviert bei Notrufen automatisch die Ortungsfunktion des Smartphones und schickt die darüber ermittelten Geo-Koordinaten im Hintergrund per SMS zur Leitstelle. Auch diese Funktion steht unabhängig davon zur Verfügung, ob der Smartphone-Nutzer die GPS-Ortung eigentlich abgeschaltet hat.
Weil es bei einem Notfall auf jede Sekunde ankommen kann, sollten sich Smartphone-Nutzer übrigens beizeiten darüber informieren, wie sie einen Notruf schnell und effizient absetzen. Denn das Entsperren und manuelle Wählen der Rufnummer ist in diesem Fall unnötig. Der Notruf lässt sich bei praktisch allen Telefonmodellen auch direkt aus dem Sperrbildschirm wählen. Oft gibt es noch weitere Abkürzung zu dieser wichtigen Funktion – bei iPhones und einigen Android-Smartphones führt etwa fünfmaliges Drücken der Einschalttaste zum Notruf. Bei anderen Android-Modellen will der Einschaltknopf lang gedrückt werden, damit das Smartphone anschließend ein Schnell-Menü anzeigt, das auch die Notruf-Funktion enthält.
Neue Bedeutung für „Cell Broadcast“
Über die Notruf-Funktion hinaus sind in Mobilfunknetzen noch weitere Spezial-Funktionen für Notsituationen und Katastrophenfälle vorgesehen. Dazu zählt die Funktion „Cell Broadcast“. Sie war schon seit den Anfängen des GSM-Mobilfunks in den technischen Standards verankert, wurde in Deutschland allerdings nie flächendeckend eingeführt. Doch die Flutkatastrophe, die 2021 mehrere Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verwüstete und mindestens 180 Leben kostete, führte zu einem Umdenken in der Politik und den Planungsstäben für Katastrophenschutz. Schließlich belegt die Wissenschaft, dass der Klimawandel eine höhere Frequenz und Intensität von Naturkatastrophen auch in unseren Breiten wahrscheinlicher macht. Deshalb soll „Cell Broadcast“ nun neue Bedeutung gewinnen: Die netzbasierte Warnfunktion soll im Lauf des Jahres 2022 bundesweit eingeführt werden. Ähnliches gilt auch in vielen anderen Ländern Europas – das besagt ein EU-Beschluss, der verbindlich die Bereitstellung digitaler Warninfrastrukturen vorschreibt und Cell Broadcast als eine Möglichkeit für deren Umsetzung vorsieht.
Bei diesem Dienst handelt es sich um eine lokale Benachrichtigungsfunktion, über die sich im Abdeckungs-Bereich einer Funkzelle zum Beispiel Katastrophenwarnungen übermitteln lassen. Bei Bedarf kann eine Warnnachricht natürlich auch in mehreren, benachbarten Funkzellen ausgestrahlt werden. Die Übertragungstechnik ist zumindest für 2G/GSM verwandt mit dem SMS-Standard. Der wesentliche Unterschied: Wie der Name schon andeutet, erreicht eine Cell-Broadcast-Nachricht alle Mobilfunkempfänger, die in der aussendenden Funkzelle angemeldet sind. Voraussetzung ist allerdings, dass das Mobiltelefon empfangsbereit – also eingeschaltet und im Netz angemeldet ist.
Katastrophenschützer und Netzbetreiber betrachten die Cell-Broadcast-Technik nicht als Allheilmittel – aber als sinnvolle Ergänzung anderer Warnwege wie etwa Sirenen und Rundfunk-Durchsagen. Auch die leistungsfähigeren, weil zur Übermittlung detaillierterer Warn-Informationen ausgelegten Katastrophen-Warn-Apps wie NINA (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) oder KatWarn sollen die zell-basierten Warn-Mitteilungen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Denn spätestens die Flutkatastrophe 2021 hat deutlich gemacht: Im Katastrophenfall zählt in erster Linie, dass die Benachrichtigung wirklich und so früh wie möglich beim Empfänger ankommt. Deshalb stellen Mobilfunknetze dafür gleich mehrere in Frage kommende Kanäle zur Verfügung.
Veröffentlicht am 20.01.2022