Eine klimaneutrale Energiewirtschaft kann nur dezentral gelingen. Die Stromnetze müssen von wenigen großen Erzeugungsinstanzen auf viele kleine umgebaut werden – von großen Kraftwerken auf kleinere Photovoltaik- und Windkraftanlagen, bis hin zur dezentralen Stromerzeugung in den einzelnen Privathaushalten beziehungsweise Unternehmen. Die Überwachung und Steuerung der Stromnetze erfordert zwingend eine zuverlässige und reaktionsschnelle Vernetzung aller betroffenen Komponenten. Dabei spielt Mobilfunk schon heute eine tragende Rolle – und in naher Zukunft wird seine Bedeutung noch weiter zunehmen.
Ohne Vernetzung keine Energiewende
Leistungsfähige Datennetze sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Anbindung aller Komponenten. Zusätzlich müssen diese Komponenten die erforderlichen Funktionen und Schnittstellen bieten. Dies gilt für einzelne Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten ebenso wie für die Überwachungs- und Steuerungsebene.
Um das im Stromnetz notwendige Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch zu gewährleisten, spielen wiederum verschiedene Faktoren eine Rolle: Wo möglich, sollte die Stromentnahme dem aktuell verfügbaren Angebot an Energie folgen. Dies setzt eine gezielte Steuerung von elektrischen Verbrauchern voraus – sowohl im eigenen Haushalt als auch auf Netzebene. Erzeugt ein Einfamilienhaus eigenen Solarstrom, ist es beispielsweise vorteilhaft, wenn das Elektroauto dann aufgeladen wird oder die Waschmaschine zu dem Zeitpunkt anläuft, wenn dieser eigenerzeugte Strom auch zur Verfügung steht. Vergleichbares gilt aber auch für Strom aus dem Netz – auch hier ist es günstig, wenn elektrische Verbraucher sich gesteuert durch ein „Smart Meter“ bevorzugt dann einschalten, wenn im Netz viel Strom zu Verfügung steht. Natürlich bleibt es in der Entscheidungshoheit jedes einzelnen Stromkunden, wann seine elektrischen Geräte tatsächlich zum Einsatz kommen – doch Energiekonzerne könnten ein „netzfreundliches“ Verhalten beispielsweise durch Tarifvergünstigungen unterstützen. Wer mit dem Aufladen des Autos oder dem Wäschewaschen wartet, bis viel Strom im Netz bereitsteht, bezahlt dafür einen geringeren Preis als wenn größere Strommengen zu Zeiten entnommen werden, in denen im Netz insgesamt weniger davon zur Verfügung steht. Und dieses Prinzip gilt nicht nur für private Haushalte, sondern in adaptierter Form natürlich auch für Gewerbe- und Industrieunternehmen.
Intelligente Einbindung von Zwischenspeichern
Insgesamt kann eine Netzsteuerung aber nicht ohne große Zwischenspeicherkapazitäten auskommen. Sie lassen sich beispielsweise durch dezentrale Speichersysteme in den Haushalten bereitstellen. In Zukunft könnten aber auch die Akkus von Elektroautos zum Teil als Pufferspeicher im Netz dienen. Dazu müssen die Fahrzeughersteller nicht nur die Ladesysteme von E-Fahrzeugen auf bidirektionalen Betrieb (also Aufnahme von Strom aus dem Netz, bei Bedarf aber auch Zurückspeisen dorthin) auslegen, sondern auch die Steuerlogiken auf diese Möglichkeiten erweitern: Das Fahrzeug muss dann zum Beispiel entscheiden, ob es einige Prozent seines Ladestands wieder ins Netz zurückgeben kann – oder ob es diese Option verweigert, weil beispielsweise eine Langstreckenfahrt ansteht. Auch hier könnten die Energiekonzerne mit Rückspeise-Vergütungen wiederum Anreize setzen, an diesem Kreislauf überhaupt teilzunehmen.
KI-Systeme zur Steuerung, Datenplattformen für Kommunen
Die Beispiele zeigen die Komplexität der erforderlichen Steuerungsprozesse und warum zum Teil sogar künstliche Intelligenz ein optimales Zusammenwirken aller Komponenten ermöglichen soll. An umfassenden Lösungen für diese Aufgabenstellung wird intensiv gearbeitet – so betreibt beispielsweise das Energy Future Lab der Deutschen Energieagentur dena mehrere Pilotprojekte, in denen dezentrale Entscheidungen und Steuerungen im Energiesektor erprobt und weiterentwickelt werden. Zu den Elementen solcher Lösung zählen beispielsweise auch CO2-Datenplattformen für Kommunen. Auf ihnen können mehrere Beteiligte (etwa Unternehmen, lokale Versorger, ÖPNV-Betreiber etc.) in einer Kommune digital erfassen, von wo in welchem Umfang CO2-Emissionen ausgehen. Daraus lässt sich wiederum ableiten, an welchen Stellen deren Reduktion die größte Wirkung hat. Wie in vielen Teilaspekten liegt auch hier die Herausforderung in den Details – beispielsweise in der Datenverfügbarkeit und -qualität, unterschiedlichen Zeitintervallen bei der Erfassung oder Vorgaben, welche Daten kostenfrei bereitgestellt werden können bzw. dürfen und welche nicht. Eine verbesserte Datenlage ist wiederum die entscheidende Basis für neuartige digitale Lösungen und Geschäftsmodelle rund um Energiewirtschaft und Schritte hin zur Klimaneutralität. Das Projekt Klimakommune.digital der dena soll hierzu bis 2024 Erkenntnisse sammeln und Handlungsempfehlungen für Kommunen entwickeln.
Leistungsfähiger und zuverlässiger Mobilfunk als zwingende Voraussetzung
Die beschriebenen Beispiele und Projekte verdeutlichen auch, warum der benötigte Umfang an Vernetzung ohne leistungsfähige Mobilfunknetze kaum realisierbar wäre. Zwar lassen sich fest installierte Systeme in Haushalten und Unternehmen auch per Festnetz an die Steuerungs-Infrastruktur anbinden. Doch an den Standorten von Solarfarmen oder Windrädern steht eine solche Datenanbindung häufig nicht zur Verfügung. Ähnliches gilt für viele Sensoren, die Energieverbräuche oder CO2-Konzentrationen erfassen. Hinzu kommt, dass die Verbindung kritischer Elemente mit der Infrastruktur gegen Ausfälle gesichert sein muss – in solchen Fällen kann eine Mobilfunkverbindung die erforderliche Redundanz beziehungsweise Fallback-Funktion bereitstellen.
Und vernetzte Autos sollten über ihren Ladestand auch schon während der Fahrt informieren, um eine entsprechende Vorausplanung zu unterstützen. Die Energiewende und der Aufbau einer dezentralen, klimaneutralen Energiewirtschaft sind deshalb auch untrennbar mit dem Ausbau leistungsfähiger und zuverlässiger Mobilfunknetze verbunden.
Veröffentlicht am 01.10.2021