Schulwegsicherheit mit 5G

16. Februar 2021

Interview mit Michael Luger, Wirtschaftsförderung Stadt Landshut und  Prof. Abdelmajid Khelil, Professor für Informatik an der Hochschule Landshut

Michael Luger & Prof. Khelil

Unter der Bezeichnung 5-SAFE arbeitet die Stadt Landshut an einem automatisierten Mobilitätssystem, das die Verkehrssicherheit insbesondere auf Schulwegen verbessern soll. Navigationssysteme warnen Autofahrer vor allem im außerstädtischen Bereich vor Staus, Gegenständen auf der Fahrbahn oder vor Wildwechsel, nicht aber vor Schulen zu erhöhter Rücksichtnahme gegenüber Kindern. Ein „5-SAFE-Schutzengel“ soll die Daten von Sensoren und Fahrzeugen erfassen und verarbeiten um Gefahrensituationen zu erkennen und die Verkehrsteilnehmer zu warnen. Für die Realisierung von 5-SAFE sind derzeit Förderungen beantragt. Wir haben mit den Projektverantwortlichen, Michael Luger, Wirtschaftsförderer der Stadt Landshut, und Prof. Abdelmajid Khelil, Professor für Informatik an der Hochschule Landshut, zu den Zielen und der Technik des 5-SAFE-Projektes gesprochen.

 

Herr Luger: Was wollen Sie mit 5-SAFE erreichen?

Mit 5-Safe möchten wir die Sicherheit für unsere Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Unterricht erhöhen und Verkehrsflüsse besser steuern.

Denn das Problem ist „selbstnährend“:

Ein erhöhtes Sicherheitsbewusstsein bei Eltern führt dazu, dass die Kinder mit dem Elterntaxi zur Schule gebracht werden. Das Verkehrsaufkommen steigt. Die Verkehrssituationen werden unübersichtlicher. Der Schulweg wird gefährlicher. Die Angst der Eltern steigt. Mehr Eltern steigen aufs Elterntaxi um. Der Schulweg wird noch gefährlicher, usw.

Genau hier setzen wir an. Die Erfahrungen mit starren Warnsystemen zeigen, dass diese ihre Wirkung im Zeitverlauf meist nicht wirklich erfüllen. Daher war es für uns von Anfang an wichtig ein möglichst zielgenaues System – also nur warnen, wenn es auch einer Warnung bedarf – aufzubauen.

Sollte also eine Gefahr erkannt werden, werden die beteiligten Verkehrsteilnehmenden innerhalb der Gefahrenzone benachrichtigt. Dies wiederum soll eine Verhaltensänderung der Verkehrsteilnehmenden bewirken, so dass es erst gar nicht zu einer kritischen Situation kommt. Als Ergebnis wird ein erweitertes Sicherheitsgefühl geschaffen, wodurch die Zahl der Elterntaxis reduziert werden soll. Die verbleibenden Elterntaxis können anhand von 5-Safe dynamisch gesteuert Drop-Off-Zonen aufsuchen, welche vom System automatisiert vorgeschlagen werden. Dies führt unmittelbar zu einer Verkehrsentlastung und mehr Sicherheit.

Herr Prof. Khelil: Wie funktioniert das Konzept des schulischen Mobilitätsmanagements?

Beim „Schutzengel“ wird durch den Einsatz von Sensorik innerhalb der unmittelbaren Schulumgebung und deren kontinuierlicher Kommunikation mittels 5G eine technische Situation-Awareness hergestellt, welche die Verkehrssituation in Echtzeit überwacht und prognostiziert. Anhand dieser Daten ist es nicht nur möglich akute Gefahrensituationen zu erkennen, sondern auch vorausschauend aktiv zu werden, um das Entstehen dieser zu verhindern. Sofern das Schutzengel System eine akute oder bevorstehende Gefahr identifiziert werden Schüler/-innen über unterschiedliche Ausbaustufen gewarnt. Die erste Ausbaustufe ist die Benachrichtigung über intelligente Verkehrsschilder oder 5G-Endgeräte. Diese sind hauptsächlich Wearables und/oder Smartphones, die mit entsprechender Software ausgestattet werden, um Informationen in Echtzeit zu erhalten. Für die Übermittlung relevanter Daten werden entsprechend Kommunikationsprotokolle für Echtzeitanforderungen eingesetzt. Die (teilweise personenbezogenen) Daten werden direkt in der Sensorbox ausgewertet und anschließend verlassen die Zone lediglich vollständig anonymisierte Vektorinformationen.

Der “Verkehrswarndienst” fokussiert im Gegensatz zum Schutzengel nicht auf die Schüler/-innen sondern auf die Autofahrer/-innen und ist abhängig von der Einspeisung der Informationen des “Schutzengels”. Anschließend werden die Informationen ausgewertet und Gefahrenlevel pro Zone prognostiziert. Auf Grundlage dieser Einstufung wird entschieden an welchen Stellen und wie bei welcher Warnstufe gewarnt wird. So sind an intelligenten Verkehrshinweisschildern optische Warnungen oder Meldungen bzw. Alternativrouten direkt in den Navigationssystemen der Fahrzeuge möglich.

Der dritte 5G-basierte Use-Case heißt “Kindersichere koordinierte Navigation der Elterntaxis (KiKoNEt)”. Dieser folgt der Grundüberlegung welche Route von Elterntaxis gewählt werden soll, um die Sicherheit des Schulkindes zu erhöhen.

Hier sind die definierten Sicherheitszonen verankert und geben unter Anderem Aufschluss darüber, wo Kinder in der Nähe der Schule abgesetzt werden können. Durch Anbindung an Schutzengel und Verkehrswarndienst ist die Existenz kritischer Situationen, wie etwa Unfällen, Gefahrensituationen oder sonstigen Zoneninformationen bekannt. Mithilfe dieser Informationen setzt die kindersichere koordinierte Navigation Prognosen über verkehrsentlastende Alternativrouten um.

Herr Prof. Khelil: Welche Rolle spielt die schnelle Datenübertragung durch 5G?

5G steht für kurze Latenzen, hohe Datenraten sowie für die Verbindung von unzähligen Geräten. Jedes dieser drei grundlegenden Attribute ermöglicht eigene Anwendungsfälle. Für die vorliegenden Anwendungsfälle ist eine kollaborative Wahrnehmung nötig, welche voraussetzt, dass hohe Datenmengen schnell übertragen werden. Dazu bietet 5G mit uRLLC (Ultra-Reliable and Low-Latency Communications) sehr geringe Signallaufzeiten sowie mit eMBB (Enhanced Mobile Broadband) sehr hohe Datenraten. Die Kombination daraus ermöglicht es, über eine kollaborative Wahrnehmung Informationen für die Realisierung unserer Anwendungsfälle bereitzustellen.

Herr Luger: Wo liegen die Herausforderungen?

Im Hinblick auf die Technik mache ich mir keine Sorgen, das hat unsere Hochschule im Griff. Vor allem die Datenschutz-Thematik, die ja gerade – und das völlig zurecht – bei Kindern einen enorm hohen Stellenwert hat, wurde von unserem Hochschul-Team hervorragend gelöst. Aktuell gibt es hinsichtlich der Realisierung unseres Konzepts nur zwei wesentliche Herausforderungen: Die Akzeptanz der 5G-Technologie in der Bevölkerung und die finanzielle Ausstattung unserer Kommune in der Folge der Corona-Pandemie. Ersteres haben wir bereits mit einer breit angelegten Informationspolitik in enger Zusammenarbeit mit unserem Umweltamt angegangen. Ich habe das Gefühl, dass wir hier einen guten Schritt weiter gekommen sind. Hinsichtlich der zweiten Herausforderung warten wir nach wie vor auf die Zusage des BMVI, dass wir im Rahmen des 5x5G Innovationswettbewerbs mit dem Konzept in die Umsetzung gehen können.

Herr Luger: Lässt sich der Ansatz auf andere Städte übertragen?

Ich denke, dass viele Kommunen vor der Herausforderung stehen im Zuge eines Bevölkerungswachstums – vor allem auch in den Ballungsräumen – bei steigendem Verkehrsaufkommen die Sicherheit für Schulkinder auf einem hohen Niveau halten zu können. Vielfach wurden bauliche Maßnahmen bereits vollständig ausgeschöpft oder stoßen gerade in historischen Innenstadtzentren an ihre Grenzen. Genau das hat uns auch in Landshut angetrieben, uns mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Hier müssen andere Lösungen her. Unser Konzept stellt definitiv eine Möglichkeit dar, wirksam bestehende Probleme zu lösen.

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