Interview mit Professor Thomas Neumuth
Vor allem in der Notfallmedizin versprechen sich Spezialisten einen Vorteil durch die den 5G-Mobilfunkstandard. Was sich durch das schnelle Datennetz ändert und wie sich die Versorgung von Notfallpatienten verbessern kann, das haben wir Professor Thomas Neumuth von der Universität Leipzig gefragt. Er leitet das Forschungsprojekt MOMENTUM (Mobile Medizintechnik für die integrierte Notfallversorgung und Unfallmedizin) am Innovationszentrum für computerassistierte Chirurgie (ICCAS) an der Uni Leipzig.
Wo gibt es in der Notfallmedizin Potential für Verbesserung?
Aus technischer Sicht gibt es in der Notfallmedizin zurzeit zwei große Potentiale für Verbesserungen: Erstens die Mobilisierung von medizintechnischen Ressourcen für die Diagnostik. Diese Geräte sind heute häufig ortsgebunden, weil sie zum Teil sehr groß oder schwer sind. Sie stehen in den Notaufnahmen oder in den spezialisierten Abteilungen in den Krankenhäusern. Das hat zur Folge, dass einige Untersuchungen nicht vor Ort durch den Notfallmediziner durchgeführt werden können, sondern der Patient dazu erst in Krankenhaus gebracht werden muss. Zum Beispiel die Untersuchung, ob nach einem Autounfall ein Lungenschaden vorliegt. Das ist ein Problem, dass die Untersuchung nicht dort stattfinden kann, wo der Unfall passiert ist und die Information aufgenommen werden sollte, bevor über die Weiterbehandlung entschieden wird. Der zweite wichtige Punkt ist die digitale Informationsweiterleitung und Kommunikation. Hier geht es darum, dass Informationen über den Patienten, die seinen Zustand und seine Parameter betreffen, bereits vor dem Patienten im Krankenhaus eintreffen sollten. Ziel ist es, dass dort die notwendigen Ressourcen und die richtigen Mitarbeiter mobilisiert werden und bereitstehen, wenn der Patient in Krankenhaus kommt. Es gibt durchaus noch Verbesserungspotential bei der Weiterleitung der Informationen, hier kann die Digitalisierung einen großen Beitrag leisten.
Welche Rolle spielt die schnelle Datenübertragung durch 5G?
5G ist eine Schlüsseltechnologie zur Realisierung schneller und hochvolumiger Datenverbindungen in der Notfallmedizin. Will man Diagnostikfunktionen aus dem Krankenhaus mobil am Unfallort nutzen, wird eine hohe Rechenleistung und die Datenübertragung in Echtzeit benötigt. Für diese Anwendungen ist 5G, die Technologie, die das ermöglichen wird. Außerdem hat 5G dann Vorteile, wenn es darum geht eine einheitliche Infrastruktur zu nutzen. Momentan sind viele Überwachungsgeräte im Krankenhaus über WLAN angebunden. Sobald aber der Patient den WLAN-Bereich verlässt, wenn er zum Beispiel in den Park geht, dann können seine Daten, wie zum Beispiel der Herzschlag, nicht mehr überwacht werden. Hier wäre eine einheitliche Infrastruktur hilfreich, die die Mobilität der Patienten unterstützt.
Wo liegen die Herausforderungen?
Die aktuelle Herausforderung liegt in der Infrastrukturentwicklung, konkret in der 5G-Verfügbarkeit in Städten und auf dem Land. Außerdem kommen mit der Umstellung auf die neue Technologie auch hohe Investitionskosten auf die Rettungsdienste zu.
Welche ersten Ergebnisse gibt es in dem MOMENTUM-Projekt?
Im Rahmen des MOMENTUM-Projektes haben wir die Voruntersuchungen abgeschlossen und den ersten 5G-Rettungswagen entworfen. Dieser Rettungswagen wird zurzeit gebaut und ab der zweiten Jahreshälfte für Tests zur Verfügung stehen.
Wie wird die Vernetzung von Medizingeräten künftig die Patientenversorgung verändern?
Die Patientenversorgung wird in Zukunft durch die vernetzten Medizingeräte mobiler werden. Vor allem durch die Verfügbarkeit von hohen Bandbreiten und gleichzeitig garantierter Qualität der Datenübertragung, wird Untersuchungen ermöglichen, die bisher nur im Krankenhaus gemacht werden konnten. Die Untersuchungen können so in die Peripherie verlagert werden, in Arztpraxen, in die Wohnung des Patienten oder zum Unfallort. Dadurch kann die Versorgung zeitnah beginnen und so dem Patienten schneller geholfen werden.
Veröffentlicht am: 05.02.21