Lutz Stobbe ist am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM Gruppenleiter für den Bereich Sustainable Networks and Computing. Er leitet das Forschungsprojekt UTAMO, das im Auftrag des Umweltbundesamtes die Umweltauswirkungen künftiger Mobilfunknetze untersuchen soll. Dabei geht es insbesondere um die Technikfolgenabschätzung im Bereich der Netzinfrastrukturen des Mobilfunks inklusive der Endgeräte und der sich daraus ergebenden Umweltbelastung.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Faktenlage zu verbessern und die umweltbezogenen Auswirkungen künftiger Mobilfunknetze bis 2030 inklusive der Endgeräte einzuordnen. Die Kernvoraussetzung hierfür ist das technische Verständnis der Architektur und der wesentlichen Elemente sowie Schlüsseltechnologien der künftigen Mobilfunkgeneration. Das Forschungsprojekt soll bis 2021 abgeschlossen sein. Wir haben Dr. Lutz Stobbe nach einem Zwischenstand gefragt.
Können Sie schon Aussagen treffen, wie sich der Energieverbrauch der Mobilfunknetze der unterschiedlichen Generationen verändert? Von 3G über 4G bis hin zu 5G? Lässt sich eine Tendenz erkennen?
In der Tendenz nimmt die relative Energieeffizienz mit neueren Technologiegeneration prinzipiell zu, weil man in der Nachrichtentechnik immer bemüht ist, die spektrale Effizienz zu erhöhen. Dieses Ziel wird durch vielfältige Technologien wie Massive MIMO, neue Kodierungs- und Modulationsverfahren, etc. erreicht. Gleichzeitig ist jedoch der absolute Energiebedarf eines Mobilfunknetzes zu betrachten. Hierbei ist festzustellen, dass die Modernisierung der Netze durch Einführung neuer Technologiegenerationen nur teilweise den durch den ansteigenden Datenverkehr verursachten Energiebedarf kompensiert. Eine präzise, theoretisch-technische Modellierung der unterschiedlichen Faktoren, die den Energie- und Rohstoffbedarf unserer aktuellen und künftigen Mobilfunknetze beeinflussen, ist Gegenstand des UTAMO-Projektes.
Mit welchem Ansatz gehen Sie an das Thema Umweltbewertung? Welche Faktoren berücksichtigen Sie in diesem Forschungsprojekt?
Bei der Modellierung des Energie- und Ressourcenbedarfes von Mobilfunknetzen betrachten wir vier Aspekte (4K): Konditionen, Komponenten, Konfiguration und Kontrolle. Die Konditionen beschreiben die geografischen und demografischen Randbedingungen in Deutschland und damit auch die nutzerseitige Nachfrage. Hinzu kommen weitere Faktoren wie beispielswiese die Erfassung des Frequenzspektrums der Netzbetreiber. Die Komponenten spezifizieren die prinzipielle Netzarchitektur der Zugangs-, Aggregations- und Kernnetze einschließlich der darin betriebenen Netzelemente. Bei dieser Erfassung der energiebezogenen Daten der aktiven Technik kommen auch weitere Aspekte wie der Wirkungsgrad der Stromversorgung und Kühlung hinzu. Die Konfiguration beschreibt die Nutzung des vorhandenen Frequenzspektrums sowie die konkrete Technikausstattung und Beschaltung von Antennenstandorten. Zudem werden diesem Parameterkomplex auch Daten zum Nutzungsmuster bzw. Netzauslastung zugeordnet. Der letzte Parameterkomplex Kontrolle adressiert die Möglichkeiten des operativen Energiemanagements.
Mit diesen Daten zur Modellierung können einerseits generationsspezifische Stromverbräuche einzelner Netzelemente und andererseits aggregierte Stromverbräuche von Teilnetzen berechnet werden. Des Weiteren wird im UTAMO Projekt eine vereinfachte Umweltbewertung der Herstellung der aktiven Netzelemente wie Antennen, Funkmodule, digitale Signal- und Datenverarbeitung und Steckverbinder vorgenommen. Hierdurch können neben dem Strombedarf in der Nutzungsphase auch der energie- und rohstoffseitige Herstellungsaufwand abgeschätzt werden. Mit diesem Ansatz soll eine höhere Transparenz darüber geschaffen werden, welche produkttechnischen und betriebsbedingten Faktoren maßgeblich zum Energie- und Rohstoffbedarf im Mobilfunk beitragen.
Wo gibt es im Hinblick auf Ressourcen- und Stromverbrauch Verbesserungspotential?
Ohne dem konkreten Ergebnis vorauszueilen, kann bereits jetzt schon festgestellt werden, dass es prinzipiell noch immer Verbesserungspotentiale gibt. Diese liegen im Bereich der Modernisierung von technischen Komponenten einschließlich Netzteilen, Software-Updates, der optimierten Positionierung und Konfiguration von Antennenstandorten, einer deutlichen Verbesserung der Auslastung unter Einbeziehung von Equipment- und Standort-Sharing-Konzepten, einem Ausbau des optische Front- und Backhauls und andere Maßnahmen. Ressourcenseitig sollte das Equipment so lange wie technisch möglich verwendet und insbesondere beim Nutzungsende demontiert und einem hochwertigen Materialrecycling zugeführt werden
Wo liegen bei diesem Forschungsprojekt die Herausforderungen?
Sicherlich ist die Beschaffung von technischen und betrieblichen Daten die größte Herausforderung. Da Energiemessungen an Standorten, Demontagen und Analysen von Equipment und ähnliche Aktivitäten zur konkreten Datenbeschaffung im UTAMO Projekt nicht geplant sind, müssen viele Spezifikationen über Literaturrecherchen und theoretisches Wissen ermittelt werden. Die mehrdimensionale Modellierung (Multi-Level-Model) insbesondere auf Basis eines soliden theoretischen Verständnisses trägt meines Erachtens aber zur Transparenz bei.
Bis wann werden die Ergebnisse vorliegen?
Das UTAMO Projekt wird in der zweiten Hälfte 2021 abgeschlossen.